Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind genau so wie ADHS tiefgreifende Entwicklungsstörungen mit Beginn in der Kindheit. Während ADHS sich nicht zwangsläufig bis ins Erwachsenenalter fortsetzt, bleibt eine Autismus-Spektrum Störung ein Leben lang bestehen. Häufig treten beide Entwicklungsstörungen gemeinsam auf.
Sowohl ADHS als auch Autismus werden mittlerweile als Spektrumstörung verstanden. Dies bedeutet, dass die Grenzen zwischen bestimmten Varianten von leicht auffälligen Persönlichkeitszügen bis hin zu schwerwiegende Beeinträchtigungen fließend sind – also ein Kontinuum von autistischen Zügen oder ADHS-Zügen bis hin zu schweren Erkrankungen, die die Alltagsbewältigung und das soziale Miteinander bedeutsam einschränken.
ADHS und ASS im Erwachsenenalter sind häufig begleitet von weiteren psychischen Erkrankungen. Oft werden nur die Begleiterkrankungen diagnostiziert und behandelt und die darunter liegende ASS oder ADHS nicht erkannt. Depression, Angststörungen und bestimmte Persönlichkeitsstörungen sind die häufigsten Begleitstörungen, die ASS oder ADHS maskieren und daher die Wirksamkeit einer Behandlung begrenzen. Aber auch das häufige gemeinsame Auftreten von ASS und ADHS erschwert die diagnostische Einordnung. So liegt bei einer Störung aus dem Autismus-Spektrum etwa bei der Hälfte der Betroffenen auch ADHS vor.
Auch zeigt sich bei ADHS Betroffenen häufig eine Komorbidität mit ASS, aber nicht so häufig wie umgekehrt. Was jedoch fast ausnahmslos bei Menschen mit ADHS anzutreffen ist sind autistische Züge oder autismusnahe Verhaltensweisen, ohne eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum zu erfüllen. Dass beide Erkrankungen zu einem hohen Maße genetisch bedingt sind, zeigt sich auch darin, dass sich in Familien mit ADHS-Betroffenen auch mehr Angehörige mit ASS zeigen und umgekehrt.
Neben der genetischen Veranlagung spielen die Erfahrungen in der Interaktion mit anderen Menschen und der Umwelt eine Rolle, wie sich die Wahrnehmung, das Erleben und Verhalten einer von Autismus betroffenen Person entwickelt.
Drei zentrale Merkmale kennzeichnen eine Autismus-Spektrum-Störung, die sich höchst individuell ausformen können.
Betroffene zeigen häufig ein reduziertes Interesse an sozialen Kontakten und haben Schwierigkeiten, soziale Signale wie Mimik oder Gestik zu verstehen und sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Obwohl sie emotional oft hoch sensibel sind, wissen sie emotionale Reaktionen anderer häufig nicht zu deuten. Sie weisen außerdem sprachliche Besonderheiten auf, wie ungewöhnliche Sprachmuster oder eine eingeschränkte Fähigkeit, Sprache gezielt einzusetzen, um etwas Bestimmtes auszudrücken. Das Verhalten ist eingeengt durch die intensive Beschäftigung mit Spezialinteressen; häufig zeigen sich gleichförmige, ungewöhnliche Verhaltensmuster, die zur Selbstregulation eingesetzt werden.
Oft geht ASS auch mit einer Überempfindlichkeit für Sinneseindrücke, insbesondere Geräusche einher. Betroffene können sich Sinnesreizen nicht verschließen oder aus der Vielfalt von Eindrücken Relevantes herausfiltern. Dieses Sich-ausgesetzt-fühlen löst oftmals intensive Gefühlsreaktionen wie Wut oder Hilflosigkeit aus.
Ein besonderes Merkmal der von ASS betroffenen Menschen ist ihre hohe Sachkompetenz in speziellen, meist ungewöhnlichen Gebieten. Sie können sehr hartnäckig argumentieren und treten unbeugsam für ihre Überzeugungen auf. Ihre Geradlinigkeit und ihr Spezialwissen werden in der Arbeitswelt sehr geschätzt, vorausgesetzt, sie finden ihre Nische, in der sie ihre besonderen Stärken zum Ausdruck bringen können. In anderen sozialen Situationen lösen Direktheit und unverblümte Ehrlichkeit häufig Irritationen aus; Betroffene gelten als unverträglich und unempathisch.
ASS Betroffene verfügen über besondere Ressourcen, die unsere Gesellschaft bereichert. Mit dieser Sicht kann ASS in aller erster Linie als eine besondere Wesensart verstanden werden und nur bei sehr schwerer Ausprägung als ein Krankheitsbild.
Eine sorgfältige Diagnostik ist die Voraussetzung für eine zielgerichtete Behandlung. Psychotherapie kann nur greifen, wenn diese an den richtigen Ursachen der Beschwerden ansetzt. Eine medikamentöse Behandlung der psychischen Begleiterkrankungen kann gerade in kritischen Lebensphasen eine entscheidende Hilfe darstellen. Anders als die hier angebotene Diagnostik wird die weiterführende Behandlung durch die Krankenkasse übernommen. Zuständig sind psychologische Psychotherapeut:innen (Verhaltenstherapie) und Fachärzt:innen für Psychiatrie.